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Hier werden Maßstäbe für die Zukunft gesetzt. Gespräch mit Lu Qiutian

2018-07-06 14:36 Ökopark

Herr Botschafter Lu, während der vorangegangenen Tagungen des Beratergremiums hatten Sie die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung betont und darauf verwiesen, dass Nachhaltigkeit ein komplettes System ist und mehr als Ökologie bedeutet. Wie sehen Sie mit Blick auf diese Forderung die jüngste Entwicklung im Deutsch-Chinesischen Ökopark?

Seit der Gründung des Ökoparks stelle ich jedes Jahr neue Fortschritte fest, jedes Jahr wird eine neue Stufe erreicht. Ich glaube, das liegt daran, dass zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Menschen sind. Mit der „richtigen Zeit“ meine ich den Entwicklungsschub, den Reformen und Öffnung gebracht haben. Der „richtige Ort“, weil Qingdao nicht nur ein Knotenpunkt an der Seidenstraße ist, sondern hier auch die maritime Wirtschaft gezielt aufgebaut wird. Für die Qingdaoer Verwaltung hat der Deutsch-Chinesische Ökopark eine große Bedeutung. Und schließlich die „richtigen Menschen“: Im Ökopark arbeitet ein hervorragendes Team, das nicht nur ein Konzept hat, sondern auch pragmatisch, gleichzeitig aber innovativ an die Lösungen von Aufgaben geht.



Sie sind ein häufiger Gast im Ökopark und kommen nicht nur zu den Tagungen des Beratergremiums hierher. Wenn Sie aber den Ökopark von vor einem Jahr mit dem Ökopark von heute vergleichen, was hat sich am meisten verändert?

Die Grundidee des Deutsch-Chinesischen Ökoparks einer grünen, umweltfreundlichen und nachhaltigen Entwicklung wird immer sichtbarer. An dieser Idee wird festgehalten, ohne zu wanken. Hier hat sich eine Reihe von Unternehmen angesiedelt. Das sind alles Investitionen, die im Wettbewerb um ökologische, emissionsarme und umweltfreundliche Produktion stehen. Das ist aus meiner Sicht der größte Fortschritt.


Welche Rolle spielt der Deutsch-Chinesische Ökopark bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern?

Er ist erstens eine Plattform für die deutsch-chinesische Kooperation, er ist zweitens eine Brücke für den kulturellen und wissenschaftlich-technischen Austausch zwischen den Menschen beider Länder, und drittens ist er ein Kettenglied für die Freundschaft zwischen Qingdaoern und Deutschen. Er ist also Plattform, Brücke und Kettenglied.


Herr Lu, noch sind relativ wenige deutsche Unternehmen im Ökopark angesiedelt. Was muss der Ökopark anders machen, damit deutsche Firmen, insbesondere mittelständische, noch stärker auf ihn aufmerksam werden?

Es ist ja kein Geheimnis, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist. Einige deutsche mittelständische Unternehmen haben sich hier angesiedelt, aber noch nicht so viele, wie es sein könnten. Ich denke, das ist eine Frage der Zeit. Und wir müssen dafür sorgen, dass der Deutsch-Chinesische Ökopark bei den deutschen mittelständischen Unternehmen als Standort noch bekannter wird. Entscheiden sich deutsche mittelständische Firmen, hier zu investieren, sind sie einerseits willkommen, andererseits profitieren beide Seiten von einer Zusammenarbeit. Ich bin mir sicher, je bekannter der Deutsch-Chinesische Ökopark wird, je schneller er sich entwickelt, desto mehr deutsche Unternehmen werden hier auch investieren.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben deutsche Firmen in China 76 Milliarden Euro investiert. Das ist recht viel. Einige Tausend deutsche Unternehmen sind in China aktiv, darunter viele Mittelständler. Sie haben hier rund 730.000 Arbeitsplätze geschaffen. Deutsche Unternehmen haben zur chinesischen Entwicklung beigetragen, sie haben auch von der chinesischen Entwicklung profitiert. Im Zuge dieser Entwicklung wird die Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen kleinen und mittleren Unternehmen immer intensiver und es werden sich ganz sicher in den kommenden Jahren noch mehr Unternehmen hier ansiedeln.


Noch ist es ja so, dass sich die deutschen Investitionen in China vor allem rund um Shanghai, in der Region Peking-Tianjin und im Perlflussdelta rund um Kanton konzentrieren. Wie sollen aber die Unternehmen, gerade kleine und mittlere, davon überzeugt werden, nach Qingdao zu kommen?

Ja, die Unternehmen sind zunächst dorthin gegangen, wo die Reformen und Öffnung ihren Anfang genommen haben – im Perlfluss- und später im Jangtsedelta. Doch inzwischen investieren ausländische Unternehmen zunehmend auch in Zentral- und in Westchina. Unternehmen werden sich dort ansiedeln, wo sie Gewinne machen können, wo ihr Geschäft wachsen kann. Verspricht ein Standort keinen wirtschaftlichen Nutzen, werden sich Unternehmen für diesen auch nicht entscheiden. Jeder Unternehmer kann rechnen. Attraktiv ist für ihn des Weiteren ein Ort, an dem das Recht durchgesetzt wird und geistiges Eigentum sicher ist. Und dann zählen noch günstige Voraussetzungen für Logistik und eine vollkommene Wertschöpfungskette. All das findet ein Unternehmer hier bei uns.


Herr Liu, Sie haben in den vergangenen Jahren nicht nur einmal betont, wie wichtig es für China ist, von den deutschen Erfahrungen zu lernen, sich am deutschen Entwicklungsmodell zu orientieren. Was kann aber umgekehrt Deutschland von China lernen?

Deutschland von China?


Ja, denn Lernen kann ja in einer Partnerschaft nicht nur eine Richtung haben. China hat doch in den vergangenen Jahren seiner rasanten Entwicklung auch eine Menge Erfahrungen gesammelt. Gerade in der jüngsten Vergangenheit ist hier in vielen Bereichen die Entwicklung schneller als in Deutschland. Was glauben Sie sollte Deutschland von China oder aber vom Deutsch-Chinesischen Ökopark lernen?

Dass Lernen gegenseitig sein muss, finde ich auch. Wir müssen von Deutschland lernen, Deutschland kann aber auch von China lernen. Warum entwickelt sich beispielsweise China schneller als Deutschland oder Europa? Das hat etwas mit unserer Reform- und Öffnungspolitik zu tun. Außerdem gilt für uns das Prinzip, dass von einer Zusammenarbeit beide Seiten profitieren müssen. Und es zeigt sich in China einiges sehr klar: China kann Kräfte bündeln, um große Vorhaben zu realisieren. China hat langfristige Pläne. Sie machen in Deutschland zuweilen Vierjahrespläne, unsere Pläne reichen bis ins Jahr 2020 oder 2025. Diese langfristige Planung, die wir in China haben, ist in Deutschland nur schwer umzusetzen.

Und schließlich lohnt es sich, an Shandongs Qilu-Kultur (齐鲁文化) zu orientieren. Das ist eine Tradition, in Harmonie mit der Umwelt zu sein. Auf Chinesisch heißt das 和合 (héhé). 和 (hé) und 合 (hé), also „ergänzen“ und „zusammenpassen“, – genau das zeichnet unsere Zusammenarbeit aus, das müssen wir besser machen.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch ergänzen, dass sich Unternehmer, die nach China kommen, mit den chinesischen Besonderheiten befassen, dass sie sich sowohl mit dem Heute als auch mit dem Gestern beschäftigen sollten, um zu erkennen, von wo wir gekommen sind. Das ist wichtig. Chinas Besonderheiten zu verstehen, ist zudem interessant. So wurden in den vergangenen Jahren 30 Millionen Menschen aus der Armut geholt. 30 Millionen – was heißt das? Das ist die Bevölkerung Polens! Jährlich müssen in China für 15 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Das sind so viele Menschen, wie die Bevölkerung Belgiens plus Finnlands! Zudem müssen in China 87 Millionen Behinderte unterstützt werden. Wir haben in vieler Hinsicht Schwierigkeiten, von denen deutsche Unternehmer nur zu wenig wissen. Es reicht nicht aus, sich nur mit unserer Kultur und Geschichte zu befassen.

Haben nicht aber auch chinesische Unternehmen die Verantwortung dafür zu sorgen, dass all dieses Wissen über China in Deutschland Gehör findet?

Selbstverständlich. Den chinesischen Unternehmern darf es nicht nur darum gehen, gute Geschäfte zu machen und interessante Vorhaben zu realisieren, sie müssen ihren deutschen Partnern auch chinesische Geschichten vermitteln, Qingdaoer Geschichten und eben Geschichten ihres eigenen Unternehmens.


Herr Lu, in China ist seit einigen Jahren der „Chinesische Traum“ in aller Munde. Lassen Sie uns über Ihren Traum, Ihren Ökopark-Traum sprechen. Wie sieht der aus?

Beim „Chinesischen Traum“ geht es um die Wiedergeburt eines großen Chinas. Das ist unser aller Traum, der „Chinesische Traum“. Von der Idee geht es darum, die Menschen in China glücklich zu machen, das Leben zu verbessern. In diesem Sinne ist der Deutsch-Chinesische Ökopark auch daran beteiligt, den „Chinesischen Traum“ wahr werden zu lassen. Der Ökopark muss, sich an Präsident Xi’s Worten „Grüne Berge, grüne Flüsse – das sind die Silber-, das sind die Goldberge“ orientierend, bei Ökologie und Umweltschutz Maßstäbe setzen. Das hat für ganz China Bedeutung. Wir sprechen davon, ein schönes China aufzubauen. Das Schöne ist die Natur, und der Ökopark spielt eine Rolle dabei, China zu einem ökologisch sauberen Land zu machen, in dem hier die Maßstäbe dafür gesetzt werden. Der Deutsch-Chinesische Ökopark steht hier in der Pflicht.


Wie wird der Ökopark in zehn Jahren aussehen?

Also 2028?


Sagen wir 2030.

Ich meine, bis dahin müssen hier noch folgende Aufgaben angegangen werden. Die maritime Wirtschaft muss einen Platz bekommen, die Pharmaproduktion auf Basis maritimer Rohstoffe, aber auch Fragen des Schutzes sowie die Erforschung der Meere. An der Küste gelegen, hat Qingdao in diesen Bereichen Stärken. Ein anderes Gebiet ist die gesamte Gesundheitswirtschaft, eine Branche, die, bildlich gesprochen, von Sonnenauf- bis -untergang Bedeutung hat. Gesundheit hat für alle Menschen Bedeutung, egal, wo sie wohnen, welcher Partei sie angehören und welchen Ideen sie folgen. Alle streben nach Gesundheit. Sie ist eine immerwährende Aufgabe, die von der Geburt bis zum Tod gelöst werden muss. Deshalb sollte Gesundheit für den Deutsch-Chinesischen Ökopark zu einem Thema werden. Hier sollten sich auch hochwertiger Tourismus entwickeln und Kreativwirtschaft. Schritt für Schritt werden sich hier auch neue ökologische Modelle entwickeln.

Mit Lu Qiutian sprach Peter Tichauer

Verwaltungskomitee des Deutsch-Chinesichen Ökoparks Qingdao No.2877, Tuanjie Lu, West Coast New Area, 266426 Qingdao, China ©2018 Deutsch-Chinesischer Ökopark Qingdao.