Ihre aktuelle position: Aktuelles/ Ökopark

Nachhaltigkeit statt „schnellem Geld“ - Gespräch mit Jens Schindelholz

2018-09-05 11:20 Ökopark


© SGEP


Herr Schindelholz, gerade wurde hier im Deutsch-Chinesischen Ökopark das Schweiz-China KMU-Zentrum eingeweiht. Warum ist es notwendig, dieses Zentrum aufzubauen?

Sehr viele kleine und mittelständische Unternehmen in der Schweiz sind an einer Zusammenarbeit mit China interessiert. Sie wollen im chinesischen Markt wachsen und suchen dafür die richtigen Partner. Gleichzeitig schreckt sie Chinas Größe ab. Das Zentrum wird also vermitteln und helfen, den Markt zu erschließen.


Was sind aus Sicht des Mittelstandes die größten Herausforderungen für ein Engagement in China?

Vor allem ist die Größe des Marktes eine Herausforderung. Ein kleines Schweizer mittelständisches Unternehmen muss ja seine Produktion zum Teil um das x-Fache steigern, um in der Lage zu sein, einen ganz kleinen Teil des chinesischen Marktes zu bedienen.


Was kann das Zentrum angesichts dieser Herausforderung leisten?

Vor allem wird es darum gehen, die richtigen Partner zueinander zu bringen. Wichtig ist zudem, gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln, was für eine erfolgreiche Zusammenarbeit die wichtigste Voraussetzung ist.


Geht es dabei in erster Linie darum, für Schweizer Unternehmen Partner zu finden, damit sie in China erfolgreiche Geschäfte machen können, oder ist auch die andere Richtung interessant: chinesischen mittelständischen Unternehmen den Weg in die Schweiz zu öffnen?

Beides. Ganz klar. Wir arbeiten derzeit an zwei Vorhaben. Das eine ist ein Schweizer mittelständisches Medizintechnik-Unternehmen, das hier in der Wirtschaftszone eine Produktion aufbauen möchte. Das Unternehmen ist Weltmarktführer für Mahlwerke, die in der Produktion von Tabletten eingesetzt werden. Auf der anderen Seite helfen wir einem mittelständischen Unternehmen aus China, das in der Schweiz beschaffen möchte. Über die in China vorhandenen Vertriebskanäle gelang es der Firma nicht, die gewünschten Produkte zu kaufen. Wir helfen nun den Kontakt zur Zentrale des Schweizer Herstellers aufzubauen, damit direkte Lieferbeziehungen entwickelt werden können.


Warum haben Sie sich für Qingdao, für die Zone für Internationale Wirtschaftliche Kooperation, für den Deutsch-Chinesischen Ökopark entschieden, wo sie Ihr Büro im German Enterprise Centre eröffnet haben?

Wie bei fast allem im Leben spielten auch hier Zufälle und persönliche Verbindungen eine Rolle. Seit fast zehn Jahren kenne ich Wang Jianzheng, der Berater des Deutsch-Chinesischen Ökoparks ist. Dank dieser Verbindung habe ich in der Schweiz geholfen, Delegationen aus dem Ökopark zu betreuen. Präsident Zhao war 2013 das erste Mal in der Schweiz. Seitdem ist ein Netzwerk entstanden. Wir haben gemeinsam sehr viel im kulturellen Bereich getan und die Beziehungen nie abrechen lassen. Vor einem Jahr haben wir dann die Idee entwickelt, auch im wirtschaftlichen Bereich enger zusammenzuarbeiten. Dass wir das Büro im German Enterprise Centre eröffnet haben, ist eigentlich fast selbstverständlich. Es ist eine gut funktionierende Plattform. Eine europäische zumal.


Sie haben sicherlich auch viele andere Industrieparks in China besucht. Was unterscheidet diesen, den Deutsch-Chinesischen Ökopark, von allen anderen im Land?

Er unterscheidet sich ganz klar durch seine Mitarbeiter. Sie denken europäisch. Viele haben in Europa studiert. Ihnen sind die Bedürfnisse europäischer Unternehmen nicht fremd. Ich habe in der Tat unterschiedliche Wirtschaftszonen besucht. In vielen geht es ums „schnelle Geld“. Hier nicht. Selbstverständlich soll auch hier Geld verdient werden. Aber es werden langfristige Ziele verfolgt. Und in den vergangenen Jahren wurde bewiesen, dass diese Ziele schrittweise, aber sehr konsequent umgesetzt werden. Das macht den großen Unterschied aus.

Hinzu kommt mein Eindruck, dass die Provinz Shandong und die Shandonger in China einen sehr guten Ruf genießen. Auf die Shandonger ist Verlass.


© Teng Jixiang/SGEP


Lassen Sie mich die von Ihnen erwähnten „langfristigen Ziele“ aufgreifen. Wie stark ist das Schweizer Engagement in Shandong und welches Ziel haben Sie hinsichtlich der Schweizer Präsenz für das kommende Jahrzehnt?

Wenn Sie jetzt von mir eine konkrete Zahl hören wollen, muss ich Sie enttäuschen. Ich kann aber diplomatisch antworten: Innerhalb kürzester Zeit können wir die Schweizer Präsenz in Shandong verfünf-, versechs- versieben- oder gar verachtfachen. Weil noch relativ wenige Unternehmen hier sind, wäre das sehr einfach. Aber: Wenn wir es schaffen, noch in diesem Jahr zwei bis drei Unternehmen aus der Schweiz anzusiedeln, wofür die Aussichten gut stehen, könnten wir im kommenden Jahr eine Verdopplung erreichen. Wichtiger ist aber, hochqualitative Partnerschaften zwischen Schweizer und chinesischen Unternehmen aufzubauen, die langfristig erfolgreich funktionieren.


Hier im Ökopark sollen Zukunftsbranchen entwickelt werden. Intelligente Fertigung beispielsweise. Ist das für Schweizer Unternehmen interessant?

Warum nicht. Allerdings konzentrieren wir uns zunächst auf den Gesundheitssektor und die Medizintechnik, Bereiche, in denen die Schweizer Unternehmen sehr stark sind. Es gibt viele kleine, aber sehr innovative Firmen, die nicht die großen Produktionsvolumina haben, aber Technologien, die dazu dienen, die Produktion zu beschleunigen.


Wie wichtig ist für diese Unternehmen, dass es Forschungskapazitäten gibt, wenn sie sich hier ansiedeln?

Forschung ist eigentlich nicht das Thema. Da gibt es in der Schweiz bei den großen Unternehmen ausreichende und gute Kapazitäten. Wichtiger ist die Produktion, und zwar hier, um den Milliarden-Markt China besser bedienen zu können. Allerdings vertrete ich gegenüber mittelständischen Unternehmen die Philosophie, zunächst den Shandong-Markt zu erschließen. Das sind immerhin fast 100 Millionen Konsumenten. Diese zu erreichen, muss das erste Ziel sein.


Und dennoch: Hier im Ökopark wird großer Wert auf die Entwicklung einer modernen Forschungslandschaft gelegt. Aus Sicht von Medizintechnik- und Pharmaunternehmen dürfte das Institut für Genforschung interessant sein. Wie wichtig ist es für potenzielle Investoren, dass sie diese Forschungslandschaft hier vorfinden?

Das ist auf alle Fälle in Plus. Ein weiteres ist, dass hier in Qingdao jährlich rund 70.000 junge Menschen die Hochschulen verlassen. Für innovative Schweizer Unternehmen, die hier investieren wollen, sind diese Ressourcen ein Faktor, der die Qualität des Standortes mitbestimmt.


Lassen Sie uns abschließend noch einmal vom Kleinen zum Großen schauen. Wie schätzen Sie die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und China derzeit ein?

Sie entwickeln sich außerordentlich gut. China wird in der Schweiz als ein wichtiger Markt wahrgenommen. Gleichzeitig sind chinesische Investoren in der Schweiz willkommen, ungeachtet der einen oder anderen Diskussion, die es in den vergangenen zwei bis drei Jahren gab. Was das Potenzial in der mittelständischen Zusammenarbeit betrifft, ist es noch lange nicht ausgeschöpft.


Aus den ausländischen Handelskammern in China ist zunehmend Kritik an den schwieriger werdenden Bedingungen für Investitionen in China zu hören. Mehr Marktöffnung wird gefordert. Teilen Sie diese Kritik?

Die Rahmenbedingungen ändern sich kontinuierlich. Dass mit dem wachsenden Fortschritt und sich verbessernden Lebensbedingungen auch die Kosten steigen, ist uns aus Europa auch gut bekannt. Hier zu produzieren, ist längst nicht mehr billig. Hinzu kommt, dass in China lange Zeit kein großer Wert auf Umweltschutz gelegt wurde. Heute ist das anders, und die Vorschriften ähneln den europäischen oder sind zum Teil noch schärfer. Auch das wirkt sich auf die Kosten aus.


Dass China den Umweltschutz zunehmend groß schreibt, sollte aber kein Grund für Kritik sein.

Ganz sicher nicht. Die Anforderungen sind aber ein Faktor, der sich auf die Kosten auswirkt.

Mit Jens Schindelholz sprach Peter Tichauer


Verwaltungskomitee des Deutsch-Chinesichen Ökoparks Qingdao No.2877, Tuanjie Lu, West Coast New Area, 266426 Qingdao, China ©2018 Deutsch-Chinesischer Ökopark Qingdao.