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Ein weiterer Akteur für die Pflege der Beziehungen – Interview mit Yves Morath

2018-09-05 14:17 Ökopark


© SGEP


Herr Morath, Sie kommen gerade von der Einweihung des neuen Schweiz-China-KMU-Zentrums. In der Schweiz gibt es sehr viele mittelständische Unternehmen. Wie schätzen Sie das China-Potenzial für diese Unternehmen ein?

China ist für die Schweizer Wirtschaft sehr wichtig, insbesondere für die Schweizer Exportwirtschaft. Das Potenzial ergibt sich aus der Größe des chinesischen Marktes, auch wenn das jetzt wie eine Plattitüde klingt. In China hat die Kaufkraft in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und Prognosen gehen davon aus, dass 2030 die Mittelschicht mit recht hohen Einkommen die Gesellschaft prägen wird. Davon können Schweizer Unternehmen profitieren. Außerdem wird in China großer Wert auf die technologische Entwicklung gelegt. Auch das eröffnet mittelständischen Unternehmen der Schweiz hochinteressante Geschäftschancen. Viele Schweizer Unternehmen sind Zulieferer im Hochtechnologiebereich.


Können Sie das konkretisieren?

Nehmen Sie die Schweizer Exporte von Werkzeugmaschinen nach China. Sie sind im vergangenen Jahr um fast 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Kunden sind in erster Linie die chinesischen Unternehmen, in denen neue Technologien entwickelt werden.


Die gute Entwicklung des Handels zwischen beiden Ländern ist die eine Seite der Wirtschaftsbeziehungen. Wird das Mittelstandszentrum dafür sorgen, dass noch mehr mittelständische Unternehmen aus der Schweiz in China investieren und in China für den chinesischen Markt produzieren?

Das ist aus meiner Sicht eine von vielen Aufgaben. Vor allem soll das Zentrum Schweizer Unternehmen in China unterstützen, egal, ob sie sich mit ihrer Produktion in China niederlassen oder funktionierende Vertriebskanäle aufbauen wollen. Es ist auch wichtig, einen weiteren Akteur zu haben, der uns bei der Pflege der Beziehungen zu China unterstützt, insbesondere hier in der Provinz Shandong.


Wie stark ist die Schweizer Präsenz in Shandong?

Es gibt schon eine ganze Reihe von Schweizer Unternehmen hier. Auf der „Karte“ des Schweizer Engagements in China fällt Shandong durchaus auf. Die Präsenz unserer Unternehmen ist hier solide, wenngleich nicht auf dem Niveau wie in Hongkong oder Shanghai, die für die Schweizer Wirtschaft die „Zentren der chinesischen Wirtschaft“ sind. Aber Shandong holt auf. Wir haben hier die Großen wie Nestlé, ABB oder Schindler, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen.


Warum wurde das Zentrum in der Zone für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit Qingdao angesiedelt?

Zum einen gab es dafür einen typisch chinesischen Grund: persönliche Beziehungen. Ich finde das sehr gut. Denn wenn sich Menschen kennen, wenn sie sich vertrauen, dann ist das eine gute Grundlage für ein erfolgreiches Geschäft. Auf der anderen Seite hat die Zone für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren ihre Leistungsfähigkeit in der internationalen Kooperation bewiesen, was mir auch die deutschen Kollegen bestätigt haben.


© Gao Yingjun / SGEP


Woran machen Sie diese Leistungsfähigkeit fest oder: Womit unterscheidet sich dieses Gewerbegebiet von anderen Industrieparks in China?

Mich überzeugt das intelligente Herangehen. Man versteht sich nicht ausschließlich als klassischen Industriepark, der Flächen für Unternehmen schafft. Es wurde hier nicht nur eine reine Betriebslogistik aufgebaut. Das Denken hat eine viel größere Bandbreite. Industrie und Wohnen werden miteinander verknüpft. Die Verantwortlichen verstehen, dass hinter Unternehmen auch Menschen stehen. Menschen, die in den Unternehmen arbeiten, müssen sich hier wohlfühlen. Dazu die Nähe zu Bildung und Kultur. Diese Kombination, ergänzt durch eine beeindruckende Verkehrsinfrastruktur, macht den aus meiner Sicht faszinierenden Unterschied aus.


Herr Morath, das chinesische Tempo ist ja inzwischen sprichwörtlich. Das Zentrum wurde heute eingeweiht. Wie viele Schweizer Unternehmen werden wir hier in einem Jahr zählen können?

Da stellen Sie eine schwierige Frage. Unser Bestreben ist, nicht irgendwelchen quantitativen Zielen nachzujagen, sondern mit den Partnern in Qingdao gemeinsam Schritte zu entwickeln, um die Schweiz in Qingdao noch stärker bekannt zu machen und gleichzeitig den Schweizer Unternehmen das Potenzial von Qingdao und der Provinz Shandong noch deutlicher vor Augen zu führen. Ich sehe das als einen langfristigen Prozess. Es wäre falsch, jetzt eine Zielvorgabe zu machen, wie viele Unternehmen aus der Schweiz in einem Jahr hier sein sollen.


In der Schweiz gibt es schon länger eine Qingdao-Vertretung...

... und der Vorteil ist, dass wir jetzt hier in Qingdao das Pendant haben und beide Büros koordiniert agieren können.


Lassen Sie mich abschließend noch einmal auf den sich, wie Sie sagten, dynamisch entwickelnden Handel zwischen der Schweiz und China zurückkommen. Die Schweiz war ja das erste kontinentaleuropäische Land, das mit China ein Freihandelsabkommen vereinbart hat. Der Handel hat davon profitiert. Sehen Sie aufgrund des gegenwärtigen Handelsstreits zwischen den USA und China neue Absatzchancen für Schweizer Unternehmen in China?

Das ist wieder eine schwierige Frage, die uns ebenso beschäftigt. Ich würde mich aber eher freuen, wenn sich der Freihandel weltweit stärker durchsetzen würde. Das wäre wichtiger, als in der Schweiz eine Strategie zu suchen, um von den Schwierigkeiten anderer zu profitieren und neue Nischen zu erschließen. Das wäre kein Erfolg versprechender Ansatz, zumal die Schweizer Wirtschaft sowohl mit der chinesischen als auch mit der amerikanischen stark verflochten ist. Schweizer Unternehmen sind für beide Länder wichtige Zulieferer. Und wenn Firmen in diesen Ländern aufgrund der Handelskonflikte in Schwierigkeiten geraten, trifft das auch Schweizer Unternehmen.

Mit Yves Morath sprach Peter Tichauer

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