Ein fußballbegeisterter Staatspräsident macht ein Land noch nicht zu einer Fußballnation. Immerhin strebt China danach, bei großen Turnieren der Rasen-Kicker in der vordersten Reihe mitzumischen. Fußballschulen nach ausländischem Vorbild sind in den vergangenen Jahren landesweit gegründet worden. So auch in Qingdao. Wichtiger noch ist, an der „Graswurzel“ Begeisterung für den Sport und eine Fußballkultur zu entwickeln.
![]()
© SGEP
„Man kann doch nicht immer nur gewinnen“, sagt André Niebler und scheint damit den Nagel auf den Kopf zu treffen. Und lachend fügt er an: „Siege können auch nicht geplant werden.“ Chinas Staatspräsident möchte dies aber. Er will, dass die Kicker seines Landes in der großen Welt des Fußballs nicht nur Zaungäste sind, dass sie nicht in Vorrunden zu Weltmeisterschaften ausscheiden, sondern es bis ganz nach oben schaffen … und in nicht allzu weiter Zukunft den Pokal nach Hause bringen.
André Niebler, der im Oktober 30 wird, ist Fußball-Enthusiast und -Trainer. Seit gut einem Jahr arbeitet er in der Fußballschule im Deutsch-Chinesischen Ökopark, wo er für Jugend-Training verantwortlich ist. Fußball ist für ihn ein „Super-Sport“, eine Sportart, in der „Freundschaften fürs Leben“ geschlossen werden und junge Menschen „ihre Persönlichkeit entwickeln“ und „etwas fürs Leben lernen“: Verantwortung für die Gemeinschaft, Teamgeist, Zielstrebigkeit. Aber auch den Umgang mit Niederlagen. Torjubel sei selbstverständlich etwas Schönes, Erstrebenswertes. Es könne aber nicht immer nur darum gehen, viele Tore zu schießen. Ein starkes Team zeichne der Wille aus, etwas gemeinsam erreichen zu wollen und zu können und auch in der Niederlage zusammenzustehen. So formuliert es André Niebler, der in China zwar viele Fußballbegeisterte sieht, eine gewachsene Fußballkultur jedoch vermisst. Eine Liga wie in Europa wächst gerade erst. Fußballvereine auf unterstem Niveau gibt es kaum. Das habe ihn verwundert. Gerade in Qingdao. „Immerhin ist Shandong doch die Fußball-Provinz.“ Strukturen für den Sport zu entwickeln sei wichtiger als die Frage zu beantworten, wie ein Spiel gewonnen werden kann, die offenbar sowohl angehende Trainer als auch Eltern von Nachwuchsfußballern besonders bewegt. „Darauf kommt es aber gar nicht an.“ Das findet jedenfalls André Niebler.
Fußball zur Kultur machen
Er will für den Sport begeistern und hat deshalb angeregt, eine Art Fußball-Patenschaften mit den örtlichen Kindergärten aufzubauen. Schon den Kleinen soll die Freude am Sport im Allgemeinen und am Fußball im Besonderen vermittelt werden. Das ist die eigentliche Grundlage, damit Xi Jinpings Fußball-Traum nicht nur ein Traum bleibt. Breitensport muss entwickelt werden, um Spitzensport voranzubringen. Was für Einzelsportarten richtig ist, gilt auch für den Mannschaftssport. Auch die Schule im Ökopark könnte in dieser Frage noch mehr Elan zeigen, meint er. Die Schüler haben vollgestopfte Programme, werden von Lehrern (und Eltern) zu Höchstleistungen „getrieben“. Für körperlichen Ausgleich bleibt wenig Zeit und Raum. Wer an die gesunde Zukunft der Kinder denke, müsse diesen Raum aber schaffen. Für eine Intensivierung der Zusammenarbeit besteht viel Raum.
![]()
© SGEP
Möglicherweise liegt es am fehlenden Image und der nicht gesehenen Chance, in der Mannschaft als Einzelner herausragen zu können, sinniert André Niebler, der sich nur so erklären kann, dass in China „viele gute Fußballer in anderen Sportarten ihre Meriten erwerben“. Beim Schwimmen etwa oder in der wohl chinesischsten Sportart Tischtennis.
Allein mit einer Bestandsaufnahme gibt sich der aus Augsburg stammende junge und voller Elan steckende Trainer nicht zufrieden. Er will seinen Beitrag leisten, dass Fußball einen Platz in der chinesischen Gesellschaft erobert und zu ebenso einem Lifestyle wird, wie das in Europa oder Lateinamerika längst der Fall ist. Auf Argumente, Chinesen seien eben anders, lässt sich André Niebler nicht ein. Er glaubt, jeder könne zu einem Fußball-Fan und hervorragenden Fußballer werden, „wenn ich ihn nur richtig begeistere“.
Fußballschulen wie „seine“ im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao können einen Beitrag dazu leisten. Vor wenigen Monaten hat die Schule am Rande der Passivhaus-Wohnsiedlung, die Ende dieses Jahres bezugsfertig sein wird, ein modernes Gebäude bezogen – in unmittelbarer Nähe von sechs gut gepflegten Rasenplätzen, die sich laut André Niebler mit deutschen durchaus messen können. Im Gebäude finden Sportler und Lehrgangsteilnehmer Fitness-Einrichtungen und Konferenzmöglichkeiten. Von der großzügig angelegten Terrasse, die an lauen Sommerabenden geeignet ist, teambildende Veranstaltungen durchzuführen, sind nicht nur die Übungsplätze gut einzusehen. Weit über die Jiaozhou-Bucht kann der Blick schweifen.
Vor allem in den warmen Monaten herrscht in der Schule reger Betrieb, wenn landesweite Turniere zur Förderung von Nachwuchsfußballern stattfinden oder Kurse für Trainer organisiert werden. Das Prinzip der Qingdaoer Schule ist, in speziell zugeschnittenen Kursen Trainer zu trainieren, ihnen die pädagogischen Fertigkeiten beizubringen, mit denen sie den Sport erfolgreich in die chinesische Jugend tragen können.
Hier wird – im übertragenen Sinne – die Fackel gezündet, mit der das Fußball-Feuer in das ganze Land getragen und gleichzeitig das Interesse an Kursen in der Schule geweckt wird. Einen ähnlichen Effekt hat, wenn Chinas Fußball-Profis nach Qingdao zum Training kommen. Anfang April waren Mannschaften aus Xinjiang und aus der Inneren Mongolei auf den Plätzen, um sich für anstehende Turniere fit zu machen. André Niebler und seine Kollegen bauen auch auf die „Mund-zu-Mund-Propaganda“ der Profis. „Wir bieten ihnen ein gutes Trainingsumfeld“, sagt er, „und hoffen im Gegenzug, dass noch mehr Mannschaften unsere Möglichkeiten nutzen.
Immerhin sind die Organisatoren der im Sommer kommenden Jahres in Qingdao stattfindenden 14. nationalen Studenten-Meisterschaften auf die Schule aufmerksam geworden. Dass das Fußballturnier dort ausgetragen wird, ist durchaus eine Wertschätzung der Qualität der sportlichen Anlagen. Für die Mitarbeiter aber sicherlich auch ein Ansporn, sich noch stärker zu engagieren, damit Xi Jinpings Traum vom großen Fußball-China Realität wird. pt
Der Artikel erscheint Ende Juni 2019 in "China insight" 2/2019.