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Wir müssen einen Schritt weiter gehen – Gespräch mit Eicke Weber

2019-06-23 10:25 Ökopark

Prof. Eicke Weber, früherer Direktor des Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE, ist neues Mitglied des Internationalen Beratergremiums des Deutsch-Chinesischen Ökoparks. Am Rande der 5. Tagung des Beratergremiums teilte er seine Ansichten zur nachhaltigen Entwicklung im Ökopark. Er will sich dafür einsetzen, dass Erneuerbare bei der Energieversorgung eine noch größere Rolle spielen.



© Eicke Weber



Wir müssen einen Schritt weiter gehen

 

Wir brauchen Plus-Energiehäuser, sagt der neue Berater des Think Tanks des Deutsch-Chinesischen Ökoparks, Eicke Weber. Sein Credo ist, noch stärker auf Solarenergie zu setzen. Dass die Dächer im Ökopark bis auf wenige Ausnahmen „nackt“, also ohne Solarkollektoren, sind, sei eine Sünde am Planeten Erde.

 

Herr Weber, warum haben Sie sich entschlossen, das Angebot anzunehmen, im Beratergremium des Deutsch-Chinesischen Ökoparks mitzuarbeiten?

Ich wurde schon vor fünf Jahren gefragt und es hatte mich schon damals interessiert. Doch war ich noch Direktor des Fraunhofer Instituts und hatte 1.200 Mitarbeiter. Ich sah einfach nicht die Möglichkeit, eine weitere Aufgabe zu übernehmen. Zu China habe ich schon lange sehr gute Beziehungen und habe daher, nachdem ich nun pensioniert bin, sehr gern die erneute Einladung angenommen. Und ich muss sagen: Was ich hier bisher gesehen habe, gefällt mir sehr. Ich bin sehr froh, hier zu sein.


Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am Ökopark?

Auf der einen Seite ist dies die Betonung der deutsch-chinesischen Partnerschaft. Gerade in der jetzigen globalen Situation ist es wichtig, vernünftig und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Und das zweite ist die Betonung von „Öko“. Das heißt, ich freue mich sehr, dass hier ein nachhaltiges, ökologisches Gewerbegebiet aufgebaut wird. Gleichzeitig finde ich, dass beim Einsatz erneuerbarer Energien noch mehr möglich ist. Und das werde ich als Berater auch deutlich empfehlen.


Im Arbeitsbericht des Verwaltungskomitees wurde unter anderem erwähnt, dass es inzwischen vier Millionen Bruttogeschoss-Quadratmeter in Passivhaus-Bauweise errichtet wurden. Der Ökopark ist sechs Jahre alt. Wie bewerten Sie diese Tatsache?

Das ist hervorragend. Denn Passivhaus-Bauweise heißt wenig Energieverbrauch. Nur ich persönlich schlage vor, einen Schritt weiter zu gehen. Wir brauchen Plus-Energiehäuser. Das heißt, der noch bestehende Bedarf an Energie muss unbedingt aus Erneuerbaren gedeckt werden. Hier sind riesige Dachflächen ohne Photovoltaik. Das ist eine Sünde am Planeten Erde. Mit Photovoltaik können wir sehr leicht eine nahezu hundertprozentige Deckung des Energiebedarfs aus Erneuerbaren erreichen. Mein Vorschlag ist, bis 2025 zu erreichen, dass alle im Ökopark benötigte Energie aus Erneuerbaren gewonnen wird. Und bis 2030 sollte dann der Ökopark klimaneutral sein. Dazu gehört dann auch, den Autoverkehr entsprechend zu gestalten.


Wie kann dies konkret umgesetzt werden?

Sehr leicht. Photovoltaik gibt es und ich rege an, im Ökopark eine Produktion von Solaranlagen anzusiedeln. Weil wir selbstverständlich die besten Module mit den besten Zell-Technologien nutzen wollen, bifaciale Zellen in Glas-Glas-Modulen etwa. Wir wollen ja ein Beispiel sein. Wir wollen, dass die Menschen aus der ganzen Welt hierherkommen und sagen: „Ja, so kann unsere Zukunft aussehen.“


Mit Photovoltaik wird sauberer Strom erzeugt. Daran besteht kein Zweifel. Doch die Herstellung der Anlagen an sich ist doch eigentlich nicht umweltfreundlich.

Das kommt ganz darauf an. Das Silizium, das für die Anlagen gebraucht wird, kann ohne weiteres sauber hergestellt werden, beispielsweise mit Strom aus Wasserkraft. Und: Ein photovoltaisches Modul produziert in eineinhalb Jahren so viel Energie, wie für die Herstellung benötigt wurde. Danach haben wir 30, 40, 50 Jahre, in denen es wirklich saubere Energie liefert.


Mit „Plus-Energie“ plädieren Sie also für eine Kombination aus Passivhaus-Bauen und Solarenergie. Ist das Passivhaus tatsächlich das Nonplusultra für energieeffizientes Bauen?

Es ist die Basis. Denn hat ein Gebäude einen zu hohen Energiebedarf, ist es schwierig diesen lokal zu decken. Nehmen Sie das Passivhaus-Technik-Zentrum hier im Ökopark. Es hat immer noch einen Strombedarf von 400.000 Kilowatt-Stunden. Dieser Bedarf kann mit weniger als 400 Kilowatt PV gedeckt werden. Ich gehe von 300 bis 350 Kilowatt aus. Das ist nicht viel. Für ein kleines Einfamilienhaus reicht ein Fünf-Kilowatt-PV-System. Wenn das Dach optimal für Photovoltaik genutzt wird, könnte der Strombedarf an Ort und Stelle erzeugt werden.


Gibt es andere Energieeffizienz-Konzepte, die möglicherweise kostengünstiger als das Passivhaus sind?

Nein, nein, Teil des Passivhaus-Konzeptes ist die Kraft-Wärme-Kopplung. Es geht um Dämmung, es geht darum, Energiequellen lokal zu nutzen, Erdwärme zum Beispiel. Das Passivhaus hat einen Energieverbrauch von etwa 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Das ist sehr wenig. Ein normales Haus hat zwischen 100 und 200. Dieser kleine Rest-Energieverbrauch kann leicht lokal gedeckt werden. Selbstverständlich sollten wir auch neue, innovative Konzepte ausprobieren wie den Einsatz von Phase-Change-Materialien. Wie Eiswürfel halten sie eine konstante Temperatur – aber mit einem Phasenwechsel bei angenehmen 24 Grad.


Ich will auf etwas anderes hinaus. Wir im Ökopark sind so etwas wie eine Blase. Das Ziel ist aber, diese Blase zu verlassen und Beispiel für andere Regionen im Land zu sein. Die Frage ist, ob das hier als Muster Aufgebaute in der breiten Fläche Chinas tatsächlich finanzierbar und anzuwenden ist.

Wenn Passivhäuser gebaut werden, sind die Zusatzkosten etwa für dreifache Verglasung im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise gar nicht so hoch. Durch Energiesparen sind diese in den ersten drei bis fünf Jahren wieder reingeholt. Das heißt, insgesamt ist es kostengünstiger, Passivhäuser zu bauen, weil Energie gespart wird. Das muss in der Öffentlichkeit noch viel stärker bewusst gemacht werden. Auch deswegen ist es wichtig, dass der Ökopark noch sehr viel mehr für seine Außenwirkung tut. Draußen heißt es immer, es sei teuer und aufwändig. Wenn es aber in der Lebenszeitbilanz betrachtet wird, ist es kostengünstiger.


Der Käufer schaut aber vermutlich zuallererst auf den Kaufpreis.

Also, sind wir doch mal ehrlich. Der Preis der Immobilie wird doch viel stärker durch die Lage bestimmt als durch die eigentlichen Baukosten des Hauses. In Berlin kostet der Quadratmeter 6.000 Euro, auf dem Land sind es nur 2.000 – für eine Wohnung ähnlicher Qualität. Das ist in China nicht anders. Umgekehrt ist es aber für jeden Käufer oder Mieter ein langfristiger Vorteil, wenn die Energiekosten bei nahezu Null liegen. Die Umstellung auf Nachhaltigkeit ist langfristig immer ein wirtschaftlicher Vorteil. Das müssen wir lernen. Wir reden nicht davon, die Bürde der Ökologie auf uns zu nehmen, sondern davon, was wirtschaftlich wirklich sinnvoll ist.

Wenn der Ökopark dieses Konzept noch konsequenter verfolgt, kann er noch stärker als Beispiel wirken. Wichtig ist dann aber auch, mit ganz konkreten Fakten und Berechnungen in die Öffentlichkeit zu gehen.

Mit Eicke Weber sprach Peter Tichauer

Verwaltungskomitee des Deutsch-Chinesichen Ökoparks Qingdao No.2877, Tuanjie Lu, West Coast New Area, 266426 Qingdao, China ©2018 Deutsch-Chinesischer Ökopark Qingdao.