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Viele Kollegen im Deutsch-Chinesischen Ökopark können Deutsch. Mehr als vier Dutzend sind es, wird deutschen Gästen gern erzählt. In Deutschland studiert haben sie, dort gearbeitet oder zumindest in China einen Germanistik-Abschluss gemacht. Unter den Ökopark-„Deutschen“ ist aber nur eine, die mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit alles daran setzt, ihre Deutschkenntnisse zu vervollkommnen. Damit schafft sie es zuweilen, den seine Muttersprache in all ihren Feinheiten beherrschenden deutschen Kollegen um eine Antwort verlegen zu machen. Wir diskutieren, warum ich den Dativ verwende, ihre Professoren aber den Akkusativ als Muss erklärten. Wir erörtern, dass „Propaganda“ negativ konnotiert ist, „propagieren“ dagegen nicht. Bewundernswert ist das allemal, auch wenn die unendliche Fragerei zuweilen nervt. Ebenso wie das fast schon obsessive hören und aufnehmen von deutsch-chinesischen Videokonferenzen, die sich jüngster Zeit häufen. Für Peng Qin sind die Inhalte wichtig. Keine Frage. Noch wichtiger ist ihr zuzuhören, um ihr gutes Deutsch weiter zu verbessern, um von den Dolmetschern zu lernen.
Immer auf der Suche
Peng Qin ist ein kleines Persönchen mit gewaltiger Willenskraft. Immer auf der Suche. Auf der Suche nach Ideen, wie der Deutsch-Chinesische Ökopark für deutsche Firmen attraktiver werden und sich nach außen optimaler präsentieren kann Jede ihrer Ideen verfolgt sie beharrlich. Oft auch umsonst. Ungehört. Das ärgert sie dann. Wobei, das ist der falsche Ausdruck. Enttäuscht ist sie. Um schneller zum Ziel zu kommen, glaubt sie hier und da eine Abkürzung nehmen zu können. Wird sie dann plötzlich vor einem „Stoppschild“ zum Stehen gebracht, fehtl ihr das Verständnis dafür. „Mir geht es doch nicht um mich selbst“, sagt sie dann, „sondern um den Ökopark.“
Sie kann manchmal auch ein richtiger Dickkopf sein und laut werden, wenn es nicht nach ihrem Willen geht. Wer weiß das besser als Li Jingxing, ihr Mann, der mir einmal sagte: „Manchmal ist es besser, nicht zu widersprechen.“ Das erzählt er, als er mich in dem kleinen Oule zum Flughafen bringt. Ein knuffiges Elektroauto ist das, fast wie ein Matchbox, gut geeignet für Stadtfahrten. Li findet das Auto eigentlich „zu klein“, sagt, es sei befremdlich, auf längeren Strecken selbst von Schwerlastern überholt zu werden. Aber seine Frau hatte sich für das Auto entschieden, „also haben wir es gekauft“.
Sie will mehr erreichen
An der berühmten Nankai-Universität in Tianjin hat Peng Qin, die aus Jiangxi in Südchina stammt, Germanistik studiert. Anschließend hat sie in der nordchinesischen Hafenstadt für ein deutsches Unternehmen gearbeitet. Dass sie später zum Deutsch-Chinesischen Ökopark gewechselt ist, entsprang mehr oder weniger einer Laune, sagt sie. „Beabsichtigt hatte ich das ursprünglich nicht.“
Vor sechs Jahren, 2015, hat Peng Qin in Qingdao Urlaub gemacht und stieß dabei zufällig auf die gerade laufende Stellenausschreibung im Deutsch-Chinesischen Ökopark. Sie wollte sich testen, und hat sich beworben. Vor allem Shen Lei, der vormalige Vizepräsident des Verwaltungskomitees, habe sie beeindruckt. Ein Mann mit Kompetenz und einer bestimmten Gelassenheit, der für Peng Qin später so etwas wie ein Mentor wurde und dessen Deutschkenntnisse sie schätzt. Wie oft sagt sie mir: „Vizepräsident Shen Lei hat das aber immer so gesagt“, was den Eindruck eines leichten Zweifels am Deutsch des Deutschen entstehen lässt. So ist es freilich nicht.
Als Dolmetscherin wurde sie eingestellt. Inzwischen ist Peng Qin in der Verwaltung für internationale Zusammenarbeit mit verantwortlich. Wenn sie hört, wie stark die deutsche Präsenz in manch anderem Gewerbepark Chinas ist, fragt sie sich, was der Ökopark machen muss, um gleichzuziehen. „Wir sind gut“, meint sie, „können aber noch mehr.“ Das ist es, was sie Tag für Tag aufs Neue antreibt, egal, ob sie hier und da aneckt. | Peter Tichauer
Der Artikel erscheint in Ausgabe 4/2021. Vor Weihnachten liegt sie bei den Lesern auf dem Schreibtisch.