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Deutsch-Chinesische Brücke von beiden Seiten begehen – Gespräch mit Michael Schumann

2023-07-24 10:15 Ökopark



© SGEP / Gaoyingjun


Deutsch-Chinesische Brücke von beiden Seiten begehen

Gespräch mit Michael Schumann


Mitte Juli besuchte Michael Schumann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft den Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao. Das Gewerbegebiet bezeichnet er als eine „Brücke“ zwischen Deutschland und China, um die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern weiter zu vertiefen. Dabei bieten sich gerade beim Thema Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung, die in den Gründungsgenen des Gewerbegebietes liegen, gute Möglichkeiten.

 

Herr Schumann, Sie haben zum ersten Mal den Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao besucht. Wie war Ihr Eindruck?


Ich war beeindruckt, was in den vergangenen zehn Jahren geschaffen und erreicht wurde. Besonders angesprochen hat mich das ganzheitliche Konzept, das die Ansiedlung und Produktion gemeinsam mit Forschung und Entwicklung ebenso zum Ziel hat, wie die Vermittlung von deutscher Kultur und das Schaffen eines lebenswerten Umfeldes für Mitarbeiter und Anwohner. Es ist aber nicht nur ein Konzept, es ist auch sichtbar. Das fängt mit der Gestaltung an, mit dem Arrangement von Wohnen, Arbeiten und Erholung. Dieses Miteinander, das zu spüren war, als ich beispielsweise einer Trainingsgruppe junger Fußballerinnen begegnete, die sich für den FC Bayern begeisterten, sprach mich sehr an. Der Campus macht einen sehr aufgeräumten Eindruck und könnte so auch in Deutschland stehen.



Michael Schumann: Besonders angesprochen hat mich das ganzheitliche Konzept des Ökoparks. @SGEP / Gao Yingjun


Sie kennen in China eine ganze Reihe von Gewerbegebieten, sicherlich auch das eine oder andere, das ebenso „Deutsch-Chinesisch“ im Titel führt. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere des Qingdaoer Ökoparks?


Mit dem Thema, das Sie im Ökopark mit der Gründung vor einem Jahrzehnt besetzt haben, der gezielte öko-sozialen Entwicklung, waren Sie damals sicherlich ein wenig vor der Zeit. Heute ist es hochaktuell. Das gibt dem „Projekt Ökopark“ einen klaren Vorteil gegenüber anderen Gewerbegebieten, in denen es vorrangig nur darum geht, deutsche Unternehmen anzusiedeln.


Wenn wir uns die neueste strategische Ausrichtung der Bundesregierung für die Beziehungen zu China anschauen, scheinen Umwelt und Klima noch die einzigen Bereiche zu sein, in denen Deutschland mit China zusammenarbeiten will und muss. Was kann ein Gewerbegebiet wie der Deutsch-Chinesische Ökopark in Qingdao leisten, um die gemeinsamen Klimaziele zu erreichen?


Der Ökopark ist wie eine Brücke zwischen Deutschland und China, und er kann dazu beitragen, dass die Brücke des Dialogs zu diesen Themen weiter ausgebaut wird. In den Diskussionen, die über die Zusammenarbeit mit China geführt werden, ist der Klimaschutz in der Tat das beherrschende Thema, was sicherlich auch daran liegt, dass es eines der unproblematischen Themen ist. Das sehe ich in Deutschland mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Auf der einen Seite ist es sehr wichtig, in Deutschland, in der EU die Dekarbonisierung weiter voranzubringen. Dazu ist die Zusammenarbeit mit China unerlässlich. Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich bedauerlich: Wenn man über nichts anderes mehr miteinander reden kann, redet man über das Klima. Das kennzeichnet die Diskussion zu China: Wir können noch bei Klima, wir können auch noch bei Gesundheit… Das verkürzt aber die Debatte über das Potenzial, das in den deutsch-chinesischen Beziehungen steckt.


Deutschland ist ja noch immer ein Land der Innovationen, auch und gerade auf dem Feld der Dekarbonisierung. All diese Innovationen können selbstverständlich auch in China eingeführt werden. Ich sehe dafür einen großen Markt, und der Ökopark könnte seine Brückenkopf-Funktion ausspielen, um deutschen Unternehmen den Weg in diesen Markt zu ebnen. Auf der anderen Seite wird selbstverständlich auch in China viel getan, um die Klimaziele zu erreichen. Aufgrund der derzeitigen Diskussion in Deutschland wird leider nicht oder nur begrenzt wahrgenommen, wie viel China im Bereich der erneuerbaren Energien umsetzt.



Michael Schumann besuchte auch das Passivhaus-Technik-Zentrum im Ökopark: Mit seiner koordinierten ökologisch-gesellschaftlichen Entwicklung ist der Deutsch-Chinesische Ökopark Qingdao ein Vorreiter. © SGEP / Mu Baiqiu


Ist dies nicht auch ein altes Verständnisproblem. Während in China immer wieder der Wille betont wird, von Deutschland zu lernen, fällt es Chinesen oft schwer, zu sagen, was umgekehrt Deutschland von China lernen könnte. Dabei sehen wir in China, wie auch Sie sagen, Innovation, die zu einem Wettbewerb führt, der vermutlich die Ursache für die derzeitigen Diskussionen ist. Was kann also Deutschland von China lernen?


Wir sollten in sehr vielen Bereichen von China lernen. Dazu benötigen wir zuallererst ein realistisches Bild von dem, was hier im Land geschieht. Leider äußern sich in Deutschland zu viele zu China, die das Land nicht kennen, nicht besucht haben. Es war zum Beispiel ein beachtlicher Kraftakt der vergangenen Jahrzehnte, in China eine erstklassige Infrastruktur aufzubauen. Sehr auffallend ist, wie der Mensch hier in den Mittelpunkt gestellt wird. Wir erleben eine Gesellschaft, die in vielen Alltagsdingen eine tatsächliche „People Centered Society“ ist. Zu schauen, dass zu treffende Maßnahmen in erster Linie den Menschen hier zugutekommen, zeichnet in meinen Augen die chinesische Gesellschaft aus, ganz im Gegensatz zu Europa, wo die Schere immer weiter auseinandergeht und viele Menschen das Gefühl haben, mit ihren Bedürfnissen und Sorgen nicht mehr im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung zu stehen.


Manchmal habe ich den Eindruck, in China wird Deutschland für das bewundert, für das es einmal gestanden hat – die klassischen deutschen Tugenden. Hartes Arbeiten, Fleiß, Verlässlichkeit der deutschen Qualität, Gründlichkeit. Darum ist es bei uns momentan nicht mehr zum Besten bestellt. Wenn ich dann sehe, mit welchem Engagement hier Dinge angegangen werden, denke ich dann und wann: Was Deutschland einmal ausgezeichnet hat, ist jetzt hier in China zu finden. Wir müssen unsere Tugenden wiederentdecken und können uns auch davon inspirieren lassen, wie und mit welchem Verständnis in China Innovation vorangetrieben wird.

Seit Jahren sind chinesische Delegationen in Deutschland unterwegs, um zu lernen, was in Deutschland anders, besser gemacht wird. Das hatte und hat zunächst einmal keine politische Dimension. Sie haben vieles von dem Gelernten in China umgesetzt, ganz sachlich, und es ist keiner auf die Idee gekommen, damit könnte die liberale Demokratie ins Land geholt werden. Es wäre gut, wenn wir es umgekehrt ebenso täten.


In welchen Bereichen zum Beispiel?


Es gibt viele Bereiche, die es sich lohnt anzuschauen: Digitalisierung in der Verwaltung, Entwicklung der Infrastruktur, auch die Art, wie hier gelebt wird. Vieles funktioniert in China besser als in Deutschland. Was spricht dagegen, sich das anzuschauen und zu verstehen zu versuchen, warum es hier besser funktioniert. Warum werden nicht mal Führungskräfte der Deutschen Bahn für zwei Wochen nach China geholt, um zu erleben, wie das chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz funktioniert. Reibungslos. Pünktlich. Bei vollkommen anderen Skalierungen. Wer es nicht erlebt, glaubt es einfach nicht.


Die Ansicht, von dieser Gesellschaft nichts lernen zu können, ist fatal. Deshalb wäre es schön, dass die Brücke, die der Ökopark zwischen beiden Ländern gebaut hat, auch von beiden Seiten begehbar ist. Dass Delegationen in den Ökopark kommen, um sich hier umzuschauen, um Dinge zu analysieren und die hier gemachten Erfahrungen nach Deutschland zurückzunehmen. Möglicherweise ist das nicht die Kernaufgabe des Ökoparks. Die ist die Ansiedlung von Unternehmen. Aber wenn Menschen Verständnis dafür haben, wie hier das Leben und Arbeiten funktioniert, werden auch Ansiedlungen und Investitionen folgen.


In Deutschland wird seit Jahren darüber gesprochen, wie wichtig es ist, die China-Kompetenz zu erhöhen. Welche Rolle kann dabei der Ökopark mit seiner doch einmaligen Ausrichtung spielen?


Der Ökopark hat einen Authentizitätsvorteil, weil die deutsche Handschrift in dem Park zu sehen ist. Für Menschen, die mit gemischten Gefühlen das erste Mal nach China gehen, kann er eine Anlaufstelle sein. Hier sind sie in guten Händen, und fühlen sich ein wenig heimisch. Sie erhalten hier Informationen, die sie in der deutschen Presse nicht finden. Wenn aus diesen Besuchen dann längerfristige Engagements entstehen, trägt das selbstverständlich zur China-Kompetenz bei. Wenn Sie im Ökopark Vertreter aus der Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene empfangen, sind das kleine Bausteine, um ein realistischeres Verständnis über China zu fördern. Wenn sich dann Unternehmen ansiedeln, wenn deutsche Gründer, Führungskräfte und Mitarbeiter im Ökopark eine Zeitlang leben und arbeiten, entsteht eine ganz andere Dynamik.


Ich setze insbesondere sehr große Hoffnung auf die junge Generation. Ich finde es problematisch, dass wir es anderen Ländern überlassen haben, ihre jungen Eliten mit China-Kompetenz auszustatten. Wenn der Ökopark mit seiner Bildungsinfrastruktur hier Angebote machen kann, entstehen Synergien für die Umsetzung der Ansiedlungsziele. Sicherlich nicht kurzfristig. Langfristig wird das aber eine gute Basis sein, so wie das Thema Nachhaltigkeit, das Sie seit zehn Jahren in den Mittelpunkt stellen. Den Park zu einem Träger der Kompetenz-Vermittlung zu machen, das wird sich auszahlen. Auch mit Blick auf künftige Investitionen.



Mit seiner Bildungsinfrastruktur kann der Ökopark Angebote machen, die zu Synergien bei der Umsetzung der Ansiedlungsziele führen können. @SGEP / Gao Yingjun


Was kann der Ökopark aus Ihrer Sicht noch machen, um mehr Unternehmen für eine Ansiedlung zu gewinnen?


Der Ökopark hat einen historischen Gründungsvorteil, und er ist in Deutschland mit zwei Büros vertreten. Diese Stärke sollte in Deutschland noch mehr zur Geltung gebracht werden. Das dem Ökopark zu Grunde liegende Umweltthema, die Dekarbonisierung und die Möglichkeiten der Kooperation in diesem Bereich, lohnt es sich dabei noch stärker zu betonen.


Wir reden derzeit oft von den Rekordinvestitionen deutscher Unternehmen in China im Jahr 2022. Wenn Sie das genau analysieren, ist darunter viel Kapital, das nicht aus Deutschland neu investiert, sondern in China erwirtschaftet und hier reinvestiert wurde. So verständlich es ist, neue Investitionen gewinnen zu wollen und diese maßvoll zu subventionieren, was im Übrigen Deutschland bei bestimmten Prestige-Objekten ebenso tut, ist es aus meiner Sicht sinnvoller, die Unternehmen, die bereits am Standort sind, zu stärken. Denn: Sind diese mittelständischen Unternehmen zufrieden und fühlen sie sich gut gefördert, entfalten sie eine eigene Dynamik, dann werden sie aus eigenem Antrieb zu „Botschaftern“ für ihren Ökopark.

Mit Michael Schumann sprach Peter Tichauer


Das Interview erscheint in der "China insight"-Herbstausgabe 2023. Darin unter anderem Themen zur deutsch-chinesischen Umweltkooperation.

 

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