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Kulturelle Kompetenzen sind ebenso wichtig wie technische – Interview mit Brigitt Riegraf

2019-06-23 21:36 Ökopark

Prof. Birgitt Riegraf, Rektorin der Universität Paderborn, ist neues Mitglied des Internationalen Beratergremiums des Deutsch-Chinesischen Ökoparks. Am Rande der 5. Tagung des Beratergremiums teilte sie ihre Ansichten zur Stärkung der kulturellen Kompetenz als eine Voraussetzung für besseres gegenseitiges Verständnis.


© Gao Yingjun



Kulturelle Kompetenzen sind ebenso wichtig wie technische

Interview mit Birgitt Riegraf


Wenn uns, Deutschen wie Chinesen, bewusst ist, welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten wir im Herangehen an bestimmte Fragen, etwa Managementprozesse haben, lassen sich gemeinsame Ziele leichter realisieren. Davon ist die Rektorin der Universität Paderborn, Birgitt Riegraf, überzeugt. Der Deutsch-Chinesische Campus, den ihre Universität mit Qingdaos Universität im Deutsch-Chinesischen Ökopark aufbaut, wird dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zwischen Deutschen und Chinesen zu stärken.

 

 

Frau Riegraf, warum haben Sie sich entschieden, im Beratergremium des Deutsch-Chinesischen Ökoparks mitzuarbeiten?

Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits hat die Universität Paderborn seit mehr als 20 Jahren enge Beziehungen zur Qingdao-Universität. Das heißt, ich pflege seit vielen Jahren eine rege Zusammenarbeit mit der Partneruniversität, woraus auch eine enge Bindung zu Qingdao entstanden ist. Das große Interesse an der Entwicklung Qingdaos hat mich bewogen, das Angebot anzunehmen. Zum anderen ist die nachhaltige Entwicklung von Gesellschaften oder der Umbau von Gesellschaften nach ökologischen Standards, das heißt die Verbindung zwischen Ökologie und Ökonomie eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren. Hier kann der Deutsch-Chinesische Ökopark im Verhältnis zwischen Deutschland und China eine besondere Rolle einnehmen. Da gibt es die Möglichkeit, zu einem „Leading Model“ zu werden, zu einem vorzeigbaren Modell, wie Ökologie mit Ökonomie verbunden werden kann und gleichzeitig die Beziehungen zwischen Deutschland und China intensiviert werden können.


Auf der heutigen Tagung des Beratergremiums wurde betont, dass die künftige Entwicklung nicht nur des Ökoparks, sondern ganz Chinas auch davon abhängt, gut ausgebildete und technisch qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung zu haben. Wie sehen Sie in diesem Kontext die Zusammenarbeit der Universität Paderborn mit dem Deutsch-Chinesischen Ökopark?

Technische Kompetenzen sind ohne Zweifel ganz wichtig und entscheidend. Es geht aber um mehr. Die Erfahrungen zeigen, neben technischer ist kulturelle Kompetenz von hoher Bedeutung, das heißt das Wissen über das andere Land, das Wissen über kulturelle Besonderheiten jedes Landes und die kulturellen Gemeinsamkeiten beider Länder. Und wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, wie Prozesse ablaufen, welche Unterschiede es in den Management-Prozessen gibt. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es in der Kommunikation. Das Wissen darüber hat eine zentrale Bedeutung.

Wir sind gerade dabei, mit der Universität in Qingdao eine Deutsch-Chinesische Universität aufzubauen, die auf dem Gelände des Ökoparks sein wird. Das ermöglicht uns, Studenten auszubilden, die in direkten Kontakt mit den Unternehmen im Ökopark torschungsthemen bearbeiten, die unter anderem von den Unternehmen formuliert werden. Gleichzeitig kann die Forschung gemeinsam mit den Wirtschaftsunternehmen Lösungen entwickeln.


Bedeutet „Deutsch-Chinesisch“ ein Austausch von Dozenten oder auch ein Austausch von Studierenden? Denn die kulturellen Kompetenzen können ja nur im direkten Umgang mit der anderen Kultur gelernt werden.

Beides. Und beides gibt es schon seit 20 Jahren. Das ist die Besonderheit der Kooperation zwischen unseren Universitäten. Wir haben regelmäßigen Austausch von Lehrkräften. In die eine und die andere Richtung. Zugleich haben wir den Austausch von Studierenden. In den vergangenen 20 Jahren haben wir rund 2.000 chinesische Studenten an der Universität Paderborn ausgebildet, die zum Teil drei, vier, fünf Jahre bei uns an der Uni waren. Ich habe festgestellt, viele davon arbeiten jetzt hier im Ökopark. Sie haben die Sprachkompetenzen, sie haben fachliche Kompetenzen, und sind deshalb für den Ökopark wertvolle Ressourcen. Umgekehrt sind unsere deutschen Studenten hier in China: Sie können ein Jahr hier sein, sie können Sommer-Schulen besuchen oder Seminararbeiten schreiben, wobei sie dafür ein halbes Jahr in China recherchieren.

Wenn wir jetzt mit dem deutsch-chinesischen Campus in die nächste Phase gehen, dann haben wir auch gemeinsame Studiengänge. Die werden derzeit entwickelt, und zwar in Physik, Chemie und in der Materialwissenschaft. Dieser gemeinsame Studiengang wird jetzt in Deutschland akkreditiert.


Das heißt, zum Abschluss haben die Studenten Zeugnisse von beiden Universitäten?

Unser Ziel ist der übliche Double-Degree. Auf jeden Fall werden die Studenten im gemeinsamen Studiengang phasenweise in dem einen oder anderen Land sein.


Und das gilt sowohl für deutsche als auch chinesische Studierende?

Ja. Wir mussten bestimmte Hürden nehmen. Denken Sie an Chemie – da werden Labore benötigt. Wir benötigen hier und dort Laborflächen. Wichtig sind auch Sprachkenntnisse. Wenn Studierende zu uns kommen brauchen sie bestimmte sprachliche Grundlagen. Wir versuchen jetzt mit unserer kulturwissenschaftlichen Fakultät, an der Deutsch als Fremdsprache gelehrt wird, hier in Qingdao Deutsch-Kurse anzubieten, damit die Studenten bevor sie nach Deutschland kommen schon Grundkenntnisse in Deutsch haben. Den chinesischen Studenten wird dann angeboten, bei uns an ein Studienkolleg zu gehen, um die Deutschkenntnisse weiter auszubauen, damit sie die formalen Voraussetzungen für ein Studium an unserer Universität haben.


Lassen Sie mich noch einmal auf das kulturelle Verständnis zurückkommen, dessen Bedeutung Sie betont haben. Man kann nicht sagen, die Beziehungen zwischen Deutschland und China wären nicht seit Jahren sehr intensiv. Trotzdem entsteht in jüngster Zeit der Eindruck, Deutsche und Chinesen reden oft aneinander vorbei. Woran liegt das?

Wenn wir über kulturelle Kompetenz reden, dürfen wir nicht nur den Menschen sehen, sondern wir müssen auch die politischen und sozialen Hintergründe verstehen. Heute Morgen haben wir beispielsweise darüber gesprochen, wie Informationsflüsse sind. Wir Deutschen haben eine bestimmte Idee, wie Management funktioniert. Das ist nicht immer damit kompatibel, wie Management in China funktioniert. Da entstehen Reibungen. Wenn wir verstehen würden, wie die unterschiedlichen Managementprozesse funktionieren, könnten wir besser damit umgehen. Ich glaube, daran mangelt es im Moment. Wir brauchen mehr Kommunikation, kulturelle Kommunikation. Die Richard-Wilhelm-Ausstellung, die gestern hier eröffnet wurde, ist ein wunderbares Beispiel, wie gegenseitig kulturelles Verständnis vermittelt werden kann. Das müssen wir ausbauen. Wissen, Aufklärung, auch über die Geschichte des anderen. Wenn wir uns mehr gegenseitig Informationen geben und mehr Verständnis füreinander entwickeln, dann können wir viel vertrauensvoller zusammenarbeiten. Und Vertrauen entsteht, wenn Menschen sich mögen, wenn sie sich kennenlernen. Dann können gemeinsam Studiengänge aufgebaut werden, dann kann gemeinsam geforscht werden.


Und es müssen Klischees überwunden werden, wie Richard Wilhelm in „Die Seele Chinas“ geschrieben hat .

Dazu sind mehr Begegnungen notwendig. Begegnungen zwischen Studierenden, um in der alltäglichen Begegnung Vorurteile zu überwinden.


Mit Birgitt Riegraf sprach Peter Tichauer





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